Hochkarätige Wettbewerbsprogramme, ein vielfältiger Georgien-Schwerpunkt und zahlreiche Entdeckungen aus den Ostseestaaten und aus Mecklenburg-Vorpommern im Programm des 28. FILMKUNSTFESTs MV
Das besucherstärkste Filmfestival Ostdeutschlands bietet in diesem Jahr über 140 Filme in zehn Sektionen, davon 41 Filme von Frauen, 19 Welt-, internationale und Deutschlandpremieren
Unter den rund 80 Gästen wird viel deutsche Filmprominenz erwartet, z.B. Barbara Auer, Jörg Schüttauf, Anneke Kim Sarnau, Jenny Schily, Jale Arikan, Max Hubacher, Esther Zimmering, Petra Trabner, Heide Schwochow, Dani Levy, Hans Weingarten, Andreas Kleinert, die DEFA-Legenden Jürgen Böttcher, Jutta Wachowiak und Hans-Eberhard Leupold, die Kameramänner Johann Feindt, Benedict Neuenfels, Thomas Plenert sowie die Jurymitglieder Marie-Lou Sellem, Victoria Trauttmansdorff, Monika Schindler, Pepe Danquart und Ehrengast Henry Hübchen
Das deutsch-österreichische Drama STYX von Regisseur Wolfgang Fischer setzt als Eröffnungsfilm des 28. FILMKUNSTFESTs MV am 1. Mai thematisch bereits einen Schwerpunkt, den etliche Filme im Gesamtprogramm des Festivals thematisieren: die Frage nach individueller Verantwortung in einer sich wandelnden, krisengeschüttelten Welt.
„STYX, um den wir sehr gekämpft haben, kombiniert wie viele andere Filme unseres Programms Unterhaltung und Anspruch auf hohem Niveau. Wir wollen jenseits des visuellen Overkills die Lust auf filmische Entdeckungen schüren, in denen auf bewusste, originelle Weise mit Bildern interessante Geschichten erzählt werden“, so Festivaldirektor Volker Kufahl anlässlich einer Sonder-Landespressekonferenz im Schweriner Schloss.
Im Spielfilmwettbewerb mit zehn Beiträgen, davon je zwei aus der Schweiz (LASST DIE ALTEN STERBEN, VAKUUM) und aus Österreich (COPS, STYX), hinterfragen viele Autoren/Autorinnen und Regisseure/Regisseurinnen den gesellschaftlichen Status Quo, stellen die Frage nach Lebenssinn und -qualität. So z.B. Regisseur Juri Steinhart in seinem Spielfilmdebüt LASST DIE ALTEN STERBEN, in dem eine Gruppe junger Leute sich als Neorevolutionäre und Kommunarden versucht. In der Hauptrolle ist Max Hubacher (DER HAUPTMANN) zu sehen, der zusammen mit Regisseur Steinhart die schweizerische Produktion in Schwerin als internationale Premiere präsentieren wird.
Auch Regisseur Hans Weingartner schickt zwei junge Menschen in seinem neuen Film 303 auf die Suche nach dem Sinn des Lebens – in Form eines charmanten Roadmovies. Und Regisseur Julian Pörksen lässt seine Hauptfigur in WHATEVER HAPPENS NEXT gleich ganz und gar aus seinem bisherigen Leben aussteigen und fortan als Schnorrer durch die Lande ziehen. Die feinfühlige Liebesgeschichte IN DEN GÄNGEN von Regisseur Thomas Stuber, die auf der Berlinale von Publikum und Kritik mit Begeisterung aufgenommen wurde und für vier deutsche Filmpreise nominiert ist, zeigt Menschen, die sich im profanen Umfeld eines Großmarktes mit ihren Sehnsüchten begegnen.
Im Film von Regisseurin Lucia Chiarla, REISE NACH JERUSALEM, ist die Hauptfigur angesichts finanzieller Engpässe kaum mehr in der Lage, die Fassade bürgerlicher Saturiertheit aufrechtzuhalten. In emotionale Abgründe blickt das Ehepaar in der schweizerisch-deutschen Koproduktion VAKUUM von Regisseurin Christine Repond, als die Frau (Festivalgast Barbara Auer) erfahren muss, dass ihr Mann sie mit Prostituierten betrogen und dem AIDS-Virus angesteckt hat. Mit persönlicher Schuld muss sich ein junger Wiener Elitepolizist im österreichischen Beitrag COPS von Regisseur Stefan A. Lukacs nach der Erschießung eines aggressiven Mannes auseinandersetzen. Ein ähnliches Trauma ereilt den syrischen Flüchtling im deutsch-türkischen Drama DIE FLUCHT (Regie: Kenan Kavut), als dieser an der Grenze zu Griechenland ums Überleben kämpft. Hauptdarstellerin Jale Arikan kommt zur Deutschlandpremiere nach Schwerin.
Mit einer ganz anderen Welt konfrontiert der bulgarische Regisseur Milko Lazarov die Zuschauer im Film NANOUK – ein ruhiges, intensiv gefilmtes Drama über ein Inuit-Paar, das in den eisigen Weiten in Ostsibirien lebt. Die deutsch-internationale Koproduktion war Abschlussfilm der diesjährigen Berlinale. Im Schweriner Spielfilmwettbewerb werden sieben Auszeichnungen mit Preisgeldern in Höhe von 28.000 Euro vergeben. Darüber entscheidet wie immer eine fünfköpfige Jury, der diesmal die Schauspielerinnen Marie-Lou Sellem, Victoria Trauttmansdorff, die für ihr Lebenswerk preisgekrönte Schnittmeisterin Monika Schindler, der georgisch-deutsche Regisseur Dito Tsintsadze und Mascha Schilinski gehören, die im vergangenen Jahr den Fliegenden Ochsen des FILMKUNSTFESTs MV für ihr Drama DIE TOCHTER erhielt.
Im Dokumentarfilmwettbewerb des FILMKUNSTFESTs MV wird erstmals neben dem Hauptpreis für den besten Film auch ein Preis für die beste Bildgestaltung vergeben, den ebenfalls die Sparkasse Mecklenburg-Schwerin vergibt. Auch in diesem Wettbewerb sind Flucht und Vertreibung mehrmals Thema, z.B. in Simone Gauls DIE NEUEN KINDER VON GOLZOW, der Bezug auf die Langzeitdokumentation von Winfried und Barabara Junge nimmt und aufzeigt, wie es syrischen Flüchtlingsfamilien in einer ostdeutschen Kleinstadt ergeht. Syrische Flüchtlinge sind es auch, die im Libanon mithelfen, Hochhäuser aufzubauen, während ihre eigenen Häuser im Bürgerkrieg zerstört werden – TASTE OF CEMENT ist ein bildgewaltiger Blick auf das Leben im Exil von Regisseur Ziad Kalthoum, der in der Kategorie Dokumentarfilm für den deutschen Filmpreis nominiert ist. Ein freiwilliges Exil nimmt die junge Chinesin in Marita Stockers Film GOODBYE YELLOW SEA auf sich, um in Deutschland den Beruf der Altenpflegerin zu lernen.
Exil und Identität sind auch wichtige Aspekte im Film SWIMMINGPOOL AM GOLAN, den die Schauspielerin Esther Zimmering in Schwerin persönlich präsentieren wird. Sie hat sich auf Spurensuche nach den beiden Zweigen ihrer deutsch-jüdischen Familie in Israel und der DDR begeben. Über nationalistischen Populismus und rechte Verdrängung reflektiert Regisseurin Ruth Beckermann in ihrem Film über den Wahlkampf des früheren österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim 1986 in WALDHEIMS WALZER. Die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck werfen in THE CLEANERS Licht auf eine buchstäblich im Dunklen ablaufende Tätigkeit – und was sie mit Menschen macht, die sie erledigen: das Löschen von Bildern, die tagtäglich in die sozialen Netzwerke hochgeladen werden. Ursprüngliche, langsam verschwindende Handwerksarbeit steht im Mittelpunkt der Dokumentarfilme 3 SCHICHTEN ARBEIT von Christine Schäfer – über die Herstellung von Tontassen – und KÖHLERNÄCHTE (Regie: Robert Müller) über die Holzköhlerei in der Schweiz.
Eine Deutschlandpremiere ist der Film HABITAT von Emerson Culurgioni und Jonas Matuschek über den ehemaligen Tagebau Geiseltal, der durch Flutung zum größten künstlichen See Deutschlands wurde. Das Gemeinschaftswerk PARTISAN wirft einen Blick zurück auf die Endphase der Intendanz von Frank Castorf an der Volksbühne in Berlin. Über die Preise entscheiden Vorjahrespreisträgerin Luise Makarov (LIEBES ICH,), Kameramann Voxi Bärenklau und Regisseur und „Oscar“-Preisträger Pepe Danquart (HÖLLENTOUR).
Der Kurzfilmwettbewerb mit zwanzig Beiträgen zeigt einen Querschnitt des aktuellen Filmschaffens in diesem Bereich, bietet einen abwechslungsreichen Mix aus fiktionalen, dokumentarischen, essayistischen und animierten Arbeiten, darunter die beiden Deutschlandpremieren BLAUE FLECKEN von Martin-Oliver Czaja über zwei junge Rapperinnen aus St. Pauli und UFER UND STILLE von Regisseurin Hanna Thomschke mit Festivalgast Odine Johne in der Hauptrolle. Die Jury besteht aus der Schauspielerin und Kabarettistin Gisa Flake, dem Regisseur Simon Ostermann und der Künstlerin und Filmregisseurin Juliane Ebner, die in der FILMKUNSTFEST MV-Reihe „Gedreht in MV“ mit ihrem Animationsfilm LANDSTRICH vertreten ist, der den Deutschen Kurzfilmpreis 2017 in der Kategorie Experimentalfilm erhielt.
Eine besonders abwechslungsreiche Mischung aus ernsten Themen (Zwangsverheiratung, Flucht, Social-Media-Sucht) und unterhaltsamen Stoffen bietet der diesjährige Kinder- und Jugendfilmwettbewerb, dessen Preis in Höhe von 7.500 Euro wieder das Bundesfamilienministerium stiftet und über den erneut eine Jury aus deutschen und zugewanderten Jugendlichen entscheiden wird. In MEINE TEUFLISCH GUTE FREUNDIN erzählt Regisseur Marco Petry die turbulente Geschichte der Tochter des von Samuel Finzi gespielten Teufels. Petry wird seinen Film in Schwerin persönlich vorstellen.Großen Spaß für kleine Zuschauer verspricht auch die Kinderbuchverfilmung MATTI UNS SAMI UND DIE DREI GRÖSSTEN FEHLER DES UNIVERSUMS von Regisseur Stefan Westerwelle, der ebenfalls zu Gast ist. Zu den ernsteren der insgesamt sieben Filme im Jugendfilmwettbewerb zählt der fantastisch fotografierte, schweizerische Film FORTUNA, der von einem geflohenen äthiopischen Mädchen erzählt, das in einem alpinen Kloster Zuflucht findet. Den Abt spielt einer der FILMKUNSTFEST MV-Ehrenpreisträger, Bruno Ganz.
Der diesjährige Ehrenpreisträger Henry Hübchen wird mit einer Hommage gewürdigt, die natürlich seine großen Publikumserfolge KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS (2017, Regie: Robert Thalheim), WHISKY MIT WODKA (2009, Regie: Andreas Dresen) und ALLES AUF ZUCKER! (2004) von Dani Levy, der bei der Preisverleihung am 5. Mai auch die Laudatio auf Hübchen halten wird, umfasst. Als Weltpremiere wird aber auch die TV-Produktion SPÄTWERK von Regisseur Andreas Kleinert über das moralische Dilemma eines alternden Schriftstellers gezeigt. Der Film entstand zum Teil an Drehorten auf der Insel Rügen.
Mehrere andere, in Mecklenburg-Vorpommern gedrehte Filme sind beim FILMKUNSTFEST MV ebenfalls als Weltpremieren zu sehen: Der neue POLIZEIRUF 110, FÜR JANINE, mit dem Rostocker Team Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau, die nach Schwerin anreisen wird), der Nachwuchsfilm ALTE ZEITEN von Benjamin Hujawa des Filmemachernetzwerks „Rostocker Schule“ und der 22-minütige Dokumentarfilm NACH PARCHIM von Johanna Huth und Julia Gechter über einen jungen, syrischen Flüchtling, und eine alte, ehemals aus Ostpreußen Geflohene, deren die mecklenburgischen Kleinstadt zur neuen Heimat wurde.
In der Reihe mit Filmen des Medienpartners NDR ist als Uraufführung ein norddeutscher Krimi-Western zu sehen, 13 UHR MITTAGS, den Hauptdarsteller Jörg Schüttauf vorstellen wird. Die weitere Uraufführung, die TV-Reportage SYSTEMVERSAGEN – TODESFLUG AEROFLOT 892 von Thorsten Mehltretter über einen der schlimmsten Flugzeugabstürze der deutschen Nachkriegsgeschichte, ist für die Menschen in der Landeshauptstadt besonders bewegend. Bei der Tragödie im Jahr 1986 kam fast eine gesamte Schulklasse ums Leben.
In der Reihe mit DEFA-Produktionen ist der Spielfilm P.S. von Regisseur Roland Gräf aus dem Jahr 1978 zu sehen, zu dessen Wiederaufführung Schauspielerin Jutta Wachowiak erwartet wird. Im Vorprogramm ist der frisch digitalisierte Dokumentarfilm HEIM über ein ehemaliges Kinderheim im mecklenburgischen Mentin zu sehen. DEFA-Legende Siegfried Kühn liest mit Christian Steyer aus seiner fiktiven Autobiografie „Die Erdorgel“ und präsentiert seinen Film KINDHEIT von 1986.
„Besonders stolz sind wir auf die außergewöhnliche Auswahl aus unserem diesjährigen Gastland Georgien und in der Reihe Focus Baltic Sea mit Filmperlen aus den Ostseestaaten“, betont Festivaldirektor Volker Kufahl. In beiden Reihen finden sich auch Deutschlandpremieren: aus Georgien die melancholische Tragikomödie DIE BEICHTE des renommierten Regisseur Zaza Urushadze, aus Lettland den Thriller um einen Ex-Polizisten, SCHAUM VOR DEM MUND, von Janis Nords. Aus Polen ist ES WAR EINMAL IM NOVEMBER zu sehen, der sich mit den nationalistischen Strömungen innerhalb der polnischen Gesellschaft auseinandersetzt. Dazu findet ein Gespräch mit der Produzentin Katarzyna Kucia in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung statt – eines von insgesamt sechs Veranstaltungen mit politischen Stiftungen Mecklenburg-Vorpommerns auf dem Festival.
Zum vierten Mal hält die FILM COMMISSION MV anlässlich des FILMKUNSTFESTs MV eine Branchenkonferenz über aktuelle Themen wie das Filmen mit Virtual Reality und Kamera-Drohnen ab (4. Mai, IHK zu Schwerin). Auch eine Diskussion über Chancen und Risiken bei osteuropäischen Koproduktionen (5.5., 17 Uhr, Festivalkino Filmpalast Capitol) und eine Locationtour zu Drehorten in der Landeshauptstadt Schwerin gehören zum Angebot.
Ebenfalls zum vierten Mal ist das französische Jugendfilmfestival Cinéfête zu Gast beim FILMKUNSTFEST MV und führt Originalfassungen französischer Filme mit Untertiteln an den Werktagen 2.-4. Mai zur Schulzeit vor, die auch anderen Besuchern freistehen.
Das Gesamtprogramm ist online, als PDF herunterzuladen und über die Festival-App abrufbar.
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