
Am 14. Mai 1873 nahm Johannes Brahms in Tutzing Quartier. Bei dem Gastwirt Konrad Amtmann mietete er für 25 Gulden „ein Zimmer und ein Kabinett im ersten Stock“, 6 Gulden musste er zusätzlich für das Klavier bezahlen. Bis in den September des Jahres blieb der Komponist am Starnberger See und schrieb begeistert an den Dirigenten Hermann Levi:

„Tutzing ist weit schöner, als wir uns neulich vorstellen konnten… Man sieht sich nicht satt!“ (Sammlung Abendt)
„Tutzing ist weit schöner, als wir uns neulich vorstellen konnten. Eben hatten wir ein prachtvolles Gewitter; der See war fast schwarz, an den Ufern herrlich grün, für gewöhnlich ist er blau, doch schöner, tiefblauer als der Himmel, dazu die Kette schneebedeckter Berge – man sieht sich nicht satt.”

Im sogenannten „Brahmspavillion“ am Tutzinger Seeufer erklangen zum ersten Mal die Tutzinger Kompositionen von Johannes Brahms
Kaum in Tutzing angekommen, sah sich Brahms wieder vor die Frage gestellt, ob er sich zur Komposition einer Oper entschließen sollte. Paul Heyse übersandte ihm einen Librettoentwurf, „Ritter Bayard“. Zunächst gewann Brahms Interesse an dem Stoff, suchte den Dichter mehrfach in München auf, um Einzelheiten zu besprechen und zog auch Levi zu Rate. Dass der Plan dann doch liegenblieb, war sicher den damals besonders zahlreichen anderen schöpferischen Vorhaben des Meisters zuzuschreiben: Er vollendete in Tutzing die Streichquartette c-Moll und a-Moll op.51 sowie die Lieder und Gesänge op.59, die sogar am gleichen Ort, im Musikpavillion des hier ansässigen Ehepaars Vogl, erstmals erklangen.

Das bedeutendste Ereignis dieses Aufenthalts waren jedoch die Haydn-Variationen op.56, wobei die Fassung für zwei Klaviere zeitlich vor der Orchesterfassung entstanden ist. Zahlreiche gesellige Abende in München bei Levi, Ernst von Possart oder Freiherr von Liliencron schufen immer wieder entspannenden Ausgleich zur Konzentration der kompositorischen Arbeit.
Christian Lange
Künstlerischer Leiter Tutzinger Brahmstage